Manka

Manka war meine Katze, sie wurde 13 Jahre alt. Der Name ist das eingedeutschte Ende des Namens des Schwerts des Highlanders Connor MacLeod - Toledo Salamanca. Später fiel mir dann auf, dass es auch ein Akronym für "Manfreds Katze" sein könnte.

Als sie zu uns kam war sie erst wenige Wochen alt und passte in meine Hand. Ich werde den Tag, an dem wir uns das erstemal begegneten, niemals vergessen. Ich kam ins Wohnzimmer und sah dieses kleine Energiebündel durchs Zimmer flitzen und ich setzte mich auf den Boden, um besser beobachten zu können. Als das Kätzlein mich bemerkte, erschrak es zuerst. Dann lief sie ein paarmal um mich herum und schien mich ganz genau zu mustern. Schließlich stand sie vor mir. Sie legte den Kopf schräg und plötzlich rannte sie auf mich zu, kletterte an mir hoch und drückte mit aller Kraft ihr kleines Köpflein gegen mein Kinn. Da war es um mich geschehen und ich schloss dieses kleine Wesen ganz tief in mein Herz. Ich habe in diesem Moment Liebe in seiner reinsten Form empfunden, Liebe zu diesem kleinen Tier. Meine Frau habe ich auch geliebt, aber das war anders. Die Liebe zu meiner Frau war mit Lebensplanung verbunden, mit Zielen die wir erreichen wollten und diese Liebe hatte auch einen sexuellen Aspekt. Aber das, was ich in diesem Moment für dieses kleine Kätzlein empfand, war Liebe pur.
Es war eine Phase in der ich arbeitslos war. Wir hatten also Zeit uns kennenzulernen.

Wir hatten noch einen eifersüchtigen Kater, Momo. Er war auf diesen Eindringling in seinem Reich nicht gut zu sprechen und setzte Manka so manchesmal zu. Und so suchte Manka recht oft Schutz bei mir und diesen Schutz gewährte ich ihr natürlich gerne. Immer, wenn sie sich fürchtete kam sie zu mir. Sie saß auf meiner Schulter, auf meinem Arm, auf meinem Kopf. Sie nahm ganz und gar Besitz von mir und ich ließ sie gewähren.
Nachdem es mir ein paarmal gelungen war, beide Katzen gleichzeitig zu kraulen, konnte Momo lernen, den Neuzugang zu akzeptieren und mit der Zeit wurden sie richtig dicke Freunde.

Später, als sie größer wurde, hat sie es dann wohl eingesehen, dass es keine sonderlich gute Idee war, an mir hochzuklettern. Als sie noch so ganz klein war, hat es ja nicht wehgetan. Später dann aber schon und eines Tages setzte ich mich zu ihr und erklärte: "Liebes, wenn du an mir hochkletterst, dann schmerzen mich deine Krallen!". Sie legte ihren Kopf schräg und schien zu überlegen. Ihr anschließendes "Miau" klangt fast wie eine Entschuldigung. Sie muss mich wohl verstanden haben, denn sie kletterte nie wieder an mir hoch.

Sie hat andere Wege gefunden, meine Nähe zu finden. Kaum kreuzte ich im Sitzen die Beine, schon war Manka in meinem Schoß. Sobald ich mich hinlegte kam sie zu mir und kuschelte sich an mich. Wenn ich fortging, saß sie am Fenster und schaute mir nach und wenn ich nachhause kam, war sie die erste, die mich begrüßte. So manches mal bemerkte ich am Morgen, dass ich in der Nacht mit meinem Kopf auf Manka gelegen habe. Ich wachte auf, fühlte die Haare unter mir und vernahm ein leises Manka-Brummen. Ein Katzenkissen - wer hat das schon?

Als wir nach Sittensen zogen, erweiterte sich Mankas Welt ganz erheblich. Denn plötzlich hatte sie nicht nur einen Balkon, sondern einen richtigen Garten. Viel gab es zu entdecken und zu erobern und die toten Vögel, die sie stolz präsentierte, taten mir leid. Aber so sind Katzen nunmal - auch die ganz ganz lieben Katzen sind Jäger. Ich lobte sie dann immer, was hätte ich auch sonst tun sollen? Ich hab deutlich gespürt, dass sich beide Katzen so richtig wohl fühlten in diesem Zuhause.

Nach der Trennung wollte ich Manka eigentlich dort lassen. Weil sie sich dort doch so wohlgefühlt hatte und ich ihr das nicht nehmen wollte. Natürlich hab ich sie vermisst! Und ich wusste auch, dass sie mich vermisst. Aber eine so schöne Umgebung konnte ich ihr in Hamburg nicht bieten - ich musste die billigste Wohnung nehmen, die ich kriegen konnte. Kein Garten, ja nichtmal einen Balkon. Es war eine Etagenwohnung in einem sozialen Brennpunkt, für mehr hat das Geld nicht gereicht.
Als dann meine Noch-Frau damit drohte, dass sie Manka nicht mehr füttern würde, wenn ich sie nicht "gefälligst" abhole, habe ich Manka zu mir nach Hamburg geholt. Ich spürte Mankas Freude als wir uns nach recht langer Zeit wieder begegneten. Sie lief die ganze Zeit um mich herum so als würde sie mich an diesem Platz festhalten wollen. Dann legte sie sich auf meine Füße und schlief ein und ich vernahm ein lautes Brummen.

Die Hamburger Wohnung eroberte sie sofort. Sie schaute überall nach, kletterte die Möbel hoch und verschaffte sich einen Überblick. Ich weiß, dass ihr nun etwas fehlte, aber ich konnte es nicht ändern. Aber sie tat mir doch schon sehr leid. Sie aber ließ sich nichts anmerken und sie suchte nachwievor meine Nähe und ich die ihre.

Mittlerweile hatte ich Andrea kennengelernt und Andrea war dann immer wieder bei mir und so lernte Andrea dann auch Manka kennen. Andrea hat öfter gesagt, dass Manka eifersüchtig auf sie sei, weil Manka mich nun nicht mehr vollständig besitzen konnte. Ich glaube das eher nicht, weil ich sah, dass Manka auch immer wieder Andreas Nähe suchte. Ich glaube, dass Manka neugierig auf diesen neuen Menschen war. Dieses Glück, das Andrea mir gab, das hat Manka definitiv gespürt.

Durch den fehlenden Auslauf hatte Mankas Körperfülle im Laufe der Zeit ordentlich zugenommen. Ein großes Katzenkissen ist zwar praktisch, ihr aber tat es nicht gut und sie bekam Probleme mit den Nieren. Etwa ein Jahr musste sie sich von recht teurem Spezialfutter ernähren, bis der Tierarzt schließlich Entwarnung gab.
Immer, wenn ich übers Wochenende und im Urlaub auch länger zu Andrea fuhr brauchte ich jemanden, der sich um Manka kümmerte. Fast immer war das mein Schwager Georg. Danke, Georg!

Es war ein gemeinsames Wochenende in Hamburg, Andrea saß auf dem Sofa und kraulte Manka und ein tiefes Brummen erfüllte den Raum. Plötzlich sagte Andrea: "Fass mal hier an der Seite, da ist was komisches." Und sie hatte recht, an Mankas Seite war etwas, das dort nicht hinzugehören schien.
In der darauf folgenden Woche war ich beim Tierarzt und der meinte, er würde ahnen was das sei, aber er wolle nicht voreilig sein und um ganz sicher zu sein, müsse man eine Gewebeprobe entnehmen. Ich stimmte dem zu, aber diese Biopsie war ein Fehler, denn Manka erholte sich nicht davon. Es blieb eine blutige offene Stelle, die einfach nicht abheilen wollte - trotz Verband und Medikamenten.
Dann kam die Diagnose.
Manka hatte Krebs.
Ich fragte, ob man das operieren könnte. Aber der Arzt meinte, dass ein solcher Eingriff eine immense Belastung, wenn nicht sogar eine Quälerei wäre und man dabei auch gar nicht sicher sein könnte, den Tumor vollständig zu entfernen. Wenn man versehentlich in den Tumor schneidet, so der Arzt, dann könne dadurch der Tumor streuen und man würde die Situation nur verschlimmern. Man solle es beobachten und ihr ihre letzte Zeit so schön wie möglich machen.
Ihre letzte Zeit!
Das kann doch nicht sein! Nein, nein, nein!
Auf der Rückfahrt war ich wie in Trance.

Es verging Zeit, aber ich weiß nicht mehr, wieviel Zeit es war. Wochen? Monate? Ich weiß es nicht mehr. Ich habe versucht, es Manka schön zu machen. Es gab ihr Lieblingsfutter und ich kraulte und liebkoste sie, wann immer es ging. Und ich spürte auch, dass es ihr gut tat - sie schnurrte und manchmal kam es mir so vor als würde sie mich anlächeln. Aber ich spürte auch, dass sie begann, sich von mir zurückzuziehen. Und diese verdammte Wunde - sie wollte einfach nicht heilen!
Eines Tages wollte ich sie anheben, aber sie sprang mir aus der Hand und dabei gab sie ein Geräusch von sich, das mir durch Mark und Bein ging. Plötzlich wurde mir bewusst, dass Manka Schmerzen haben musste - große Schmerzen. Manka litt!

Nach einem kurzen Weinkrampf konnte ich mich wieder fassen. Ich griff zum Telefon und rief Georg an und er kam kurze Zeit später. Wir fuhren dann mit Manka zum Tierarzt. Der gab ihr eine Spritze, die sie sanft hat einschlafen lassen. Als wir sahen, dass sie ganz tief schlief bekam sie eine zweite Spritze und Mankas Herz hörte auf zu schlagen.Georg und ich begruben Manka am Eingang eines kleinen Waldes. Es war ein Ort, der ihr mit Sicherheit gefallen hätte.

Ich fühlte mich schuldig, so unendlich schuldig! Weil ich mich gegen die Operation entschieden hatte und ihr so die Chance zu leben genommen habe.
Ich habe tagelang geweint und es hat viele Wochen gedauert, bis ich mich einigermaßen wieder aus diesem tiefen Loch befreien konnte. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass dies nur ein sehr kleiner Vorgeschmack auf das gewesen war, was noch kommen würde.